Laut Beschluss des OVG NRW vom 06.07.2021 (Az.: 13 B 881/21.NE) liegt voraussichtlich kein von der Antragstellerin geltend gemachter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG darin, dass immunisierte und nicht immunisierte Personen gemäß § 1 Abs. 2b Satz 1 CoronaBetrVO hinsichtlich der Teilnahme an Coronaselbsttests unterschiedlich behandelt werden. Nach dieser Vorschrift werde für alle in Präsenz tätigen Personen (Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, sonstiges an der Schule tätiges Personal), die nicht über eine nachgewiesene Immunisierung durch Impfung oder Genesung gemäß § 1 Abs. 3 und § 2 Nr. 1 bis 5 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung vom 8. Mai 2021 (BAnz AT 08.05.2021 V1) verfügen, wöchentlich zwei Coronaselbsttests im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 3 der Corona-Test-und-Quarantäneverordnung vom 8. April 2021 oder ersatzweise PCR-Pooltests durchgeführt.

Dieser Differenzierung dürfte Art. 3 Abs. 1 GG nicht entgegenstehen. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebiete dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln.

Er verwehre ihm nicht jede Differenzierung. Diese bedürfe jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind.

Zwar liege bei vielen Infektionsschutzmaßnahmen – auch bei der hier streitgegenständlichen – eine erhebliche Betroffenheit grundrechtlich geschützter Freiheiten vor. Dennoch sprächen die besonderen Umstände bei der Bekämpfung der SARS-CoV-2-Pandemie dafür, den Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers nicht zu sehr zu begrenzen. Der Verordnungsgeber befinde sich in einer komplexen Entscheidungssituation, in der eine Vielzahl von Belangen infektionsschutzrechtlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Art zu berücksichtigen und abzuwägen sei und in der er zwangsläufig nur mit Prognosen dazu arbeiten könne, welchen Einfluss Infektionsschutzmaßnahmen oder die Lockerung solcher Maßnahmen auf die genannten Bereiche haben werde.

Gemessen an diesen Maßstäben dürfte der Verordnungseber seinen Gestaltungsspielraum nicht überschritten haben, indem er nachgewiesen immunisierte Personen i. S. d. COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung von der Teilnahme an Coronaselbsttests an Schulen ausgenommen hat. In der Immunisierung liege nach summarischer Prüfung ein einleuchtender Sachgrund für diese Ungleichbehandlung.

Zwar sei die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person trotz vollständiger Impfung PCR-positiv wird, nicht Null. Jedoch dürfte nach jetzigem Erkenntnisstand in der Summe das Risiko einer Virusübertragung so stark vermindert sein, dass Geimpfte bei der Epidemiologie der Erkrankung keine wesentliche Rolle mehr spielen. Die Einhaltung allgemein empfohlener Schutzmaßnahmen (Alltagsmasken, Hygieneregeln, Abstandhalten, Lüften) werde daher bei vollständig geimpften Personen aktuell für ausreichend erachtet.

Das Risiko einer erneuten Ansteckung und einer damit einhergehenden Übertragung des Coronavirus SARS-CoV-2 auf andere Personen sei voraussichtlich auch bei genesenen Personen gering. Die derzeit verfügbaren klinischen und immunologischen Daten sprächen für eine Schutzwirkung von mindestens sechs Monate nach einer überstandenen Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2.

Angesichts dieser Erkenntnisse dürfte der Verordnungsgeber mit der angegriffenen Differenzierung vorliegend seinen – weiten – Gestaltungsspielraum nicht überschritten haben. Dies gelt insbesondere vor dem Hintergrund, dass allgemein empfohlene Schutzmaßnahmen wie das Tragen einer Maske und das Lüften in den Schulen weiterhin eingehalten werden.

Ferner sei der Antragstellerin nicht zu folgen, wenn sie meint, Schutzmaßnahmen i. s. d §§ 28, 28a IfSG wie Coronaselbsttests dürften in einer Schule nur angeordnet werden, wenn dort zuvor Ansteckungsverdächtige, Kranke oder Krankheitsverdächtige festgestellt worden seien. Eine solche Beschränkung enthält § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG nicht. Darüber hinaus liefen die in § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG vorgesehenen Verbote von Veranstaltungen und sonstigen Ansammlungen zumindest teilweise ins Leere und wären zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten wie COVID-19 erheblich weniger effektiv, wenn sie erst erfolgen dürften, nachdem dort Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt würden.

  • 28 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 IfSG stelle vielmehr klar, dass Anordnungen auch gegenüber Gemeinschaftseinrichtungen ergehen können, weil bei Menschenansammlungen Krankheitserreger besonders leicht übertragen werden können. Somit könnten auch (sonstige) Dritte („Nichtstörer“) Adressat von Maßnahmen sein, beispielsweise um sie vor Ansteckung zu schützen.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin seien regelmäßig durchgeführte Coronaselbsttests in Schulen auch zur Eindämmung des Infektionsgeschehens voraussichtlich geeignet. Dies gelte trotz der u. a. angeführten hohen Quote falsch positiver Ergebnisse. Ungeachtet dessen helfen die Tests zum einen dabei, tatsächlich infizierte Schüler zu identifizieren. Zum anderen werde das Ergebnis bei positiv getesteten Schülern durch einen PCR-Test kontrolliert (vgl. § 13 CoronaTestQuarantäneVO), so dass zeitnah festgestellt wird, ob ein Schüler tatsächlich infiziert ist. Die mit einem falsch positiven Testergebnis verbundenen Belastungen seien für die getestete Person daher regelmäßig nur von kurzer Dauer und führten deshalb im Weiteren auch nicht zur Unangemessenheit der Maßnahme.

Dass PCR-Tests ihrerseits falsch sein können, rechtfertige keine andere Bewertung. Nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft handele es sich bei einem PCR-Test um ein geeignetes Instrument, das Vorliegen einer akuten SARS-CoV-2-Infektion zu ermitteln. Bei korrekter Durchführung der Tests und fachkundiger Beurteilung der Ergebnisse sei von einer sehr geringen Zahl falsch positiver Befunde auszugehen. Namentlich nichtvermehrungsfähige Erreger(reste) könnten im Übrigen durch die Einbeziehung des sogenannten CT-Werts in die Auswertung der Proben ausgeschlossen werden.

 

Quelle: Beschluss OVG NRW, 06.07.2021, Az.: 13 B 881/21.NE