Das OLG Hamm hat entschieden, dass amtspflichtwidrig falsch bewertete juristische Klausuren keinen Schadensersatzanspruch des betroffenen Studenten begründen, wenn nicht festgestellt werden kann, dass die Klausuren bei der Anwendung zutreffender Bewertungsmaßstäbe besser hätten bewertet werden müssen.

Der heute 35 Jahre alte Kläger verlangt vom beklagten Land Nordrhein-Westfalen Schadensersatz aufgrund eines Bescheides des Justizprüfungsamtes beim OLG Hamm vom 07.09.2007, mit welchem seine staatliche Pflichtfachprüfung (früher: erstes juristisches Staatsexamen) aufgrund der Bewertung von vier Aufsichtsarbeiten mit „mangelhaft“ für nicht bestanden erklärt wurde. Die Rechtswidrigkeit dieses Bescheides stellte das OVG Münster mit Urteil vom 18.04.2012 fest und beanstandete die bei den beiden Klausuren im öffentlichen Recht angewendeten Prüfungsmaßstäbe als rechtsfehlerhaft. Der Bescheid war zu der staatlichen Pflichtfachprüfung ergangen, zu der sich der Kläger im achten Fachsemester seines Studiums der Rechtswissenschaften im März 2007 unter Inanspruchnahme der Freiversuchsregelung angemeldet hatte. Zwischenzeitlich, im Jahre 2011, hat der Kläger die zweite juristische Staatsprüfung bestanden und ist jetzt als Rechtsanwalt tätig. Aufgrund des rechtswidrigen Prüfungsbescheides aus dem Jahre 2007 hat der Kläger vom beklagten Land 105.000 Euro brutto Verdienstausfall und den Ersatz weiterer 1.645 Euro Studiengebühren verlangt.
Die Schadensersatzklage hatte vor dem OLG Hamm keinen Erfolg.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts sind die Voraussetzungen des geltend gemachten Amtshaftungsanspruches nicht erfüllt. Dem beklagten Land falle zwar eine schuldhafte Amtspflichtverletzung zur Last, weil bei den beiden öffentlich-rechtlichen Klausuren des Klägers fehlerhafte Bewertungsmaßstäbe angelegt worden seien und somit gegen das Gebot zum rechtmäßigen Verwaltungshandeln verstoßen worden sei. Die Amtspflichtverletzungen seien auch schuldhaft geschehen. Insoweit müsse sich das Land das fahrlässige Verschulden der zur Bewertung herangezogenen Prüfer zurechnen lassen.
Jedoch könne nicht festgestellt werden, dass die fehlerhafte Bewertung der beiden Klausuren den vom Kläger geltend gemachten Schaden verursacht habe. Der Kläger habe nicht nachweisen können, dass sich bei einem pflichtgemäßen Handeln auf Seiten der Prüfer und des Justizprüfungsamtes die Dinge anders als bei dem tatsächlichen Verlauf entwickelt hätten und sich seine Vermögenslage dadurch günstiger darstellen würde. Ungeachtet der Bewertungsfehler bei den beiden öffentlich-rechtlichen Klausuren stehe nämlich nicht fest, dass diese bei Anwendung zutreffender Bewertungsmaßstäbe besser und damit mindestens mit „ausreichend“ (4 Punkten) hätten bewertet werden müssen.
Die Bewertung einer Prüfungsleistung liege im sachgerecht auszuübenden Ermessen der Prüfer, diesen bleibe regelmäßig ein Beurteilungsspielraum bei der Notenvergabe. Nach dem eingeholten Sachverständigengutachten habe die Klausurbearbeitung des Klägers an gravierenden Mängeln gelitten. Diese hätten es gerechtfertigt, eine der Klausuren auch bei Anwendung zutreffender Bewertungsmaßstäbe mit „mangelhaft“ (2 Punkten) zu bewerten. Bei der weiteren Klausur sei neben einer Bewertung mit „ausreichend“ (4 Punkten) auch eine Bewertung mit „mangelhaft“ (3 Punkten) vertretbar und zulässig gewesen.
Aus diesem Grund bestehe die Möglichkeit, dass auch bei sachgerechter Ermessensausübung die Gesamtnote seiner Prüfungsleistung nicht angehoben und somit seine Prüfungsleistung gleichlautend beschieden worden wäre. Weil somit nicht ausgeschlossen werden könne, dass dasselbe Prüfungsergebnis auch bei fehlerfreier Ermessensausübung erzielt worden wäre, entfalle ein Schadensersatzanspruch.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig (Az. beim BGH III ZR 22/18).

Vorinstanz
LG Münster, Urt. v. 30.06.2016 – 11 O 505/13

Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm v. 13.02.2018