Die Rheinische Post meldete in einem Artikel vom 10.08.2017 (Link), dass in NRW in den vergangenen 5 Jahren die Zahl der Schüler deutlich gestiegen seien, die nach der Erprobungsstufe das Gymnasium verließen. In manchen Städten habe sich die Anzahl der Wechsler bis zu verdoppelt, so die Rheinische Post auf Anfrage beim Landesbetrieb IT NRW.

Der Artikel weist damit auf ein Phänomen hin, das auch wir in unserer Kanzlei verstärkt beobachten. Wird das Kind zum Abschluss der Erprobungsstufe nicht versetzt oder spricht die Schule eine Empfehlung zum Wechsel der Schulform aus, sehen sich die betroffenen Eltern mit einer Vielzahl an tatsächlichen und rechtlichen Fragen konfrontiert.

Die Rheinische Post belegt anhand der Wechselzahlen, dass der überwiegende Anteil der Schüler („gut 70 Prozent“) vom Gymnasium an die Realschule wechselt. Der Wechsel vom Gymnasium an die Realschule zum Ende der Erprobungsstufe ist nach der Verordnung über die Ausbildung und die Abschlussprüfungen in der Sekundarstufe I (Ausbildungs- und Prüfungsordnung Sekundarstufe I – APO-S I) vorgesehen. Aber auch der Wechsel an die Sekundarstufe, die Hauptschule und die Gesamtschule ist nach der APO-S I möglich. Nach unseren Erfahrungen wünschen sich viele Schülerinnen und Schüler und deren Eltern den Wechsel an die Gesamtschule. Dieser scheitert häufig daran, dass die Gesamtschulen den Aufnahmeantrag aufgrund von erschöpften Kapazitäten ablehnen. Diese ablehnende Entscheidung schränkt die Freiheit der Eltern ein die Schulform frei zu wählen. Die Kapazitätserschöpfung ist zwar grundsätzlich geeignet einen derartigen Eingriff zu rechtfertigen, nichtsdestotrotz müssen die Schulen bei der Vergabe der freien Plätze die rechtlichen Vorgaben einhalten. Treten beim Auswahlverfahren Fehler auf, werden unsachgemäße Auswahlkriterien verwendet, fehlt es an der Berücksichtigung von Härtefällen, kann die ablehnende Entscheidung angefochten werden. Zu dieser Problematik haben wir im Beitrag „Losverfahren bei Vergabe von Schulplätzen zulässig?“ ausführlich Stellung genommen. (https://www.schaefer-berkels.de/news-und-infos/aktuelles/115-stellungnahme_losverfahren )

Wurde die Schülerin/der Schüler zum Abschluss der Erprobungsstufe in die Klasse 7 versetzt, liegt es allein in der Entscheidung der Eltern die Schulform zu wechseln, auch wenn die Schule den Schulformwechsel empfiehlt.

Liegt hingegen eine Nichtversetzungsentscheidung vor, ist zunächst zu prüfen, ob die Schülerin/der Schüler die Klasse 6 des Gymnasiums wiederholen darf. Dazu bedarf es gemäß § 12 Abs. 3 APO-S I allerdings der Entscheidung der Versetzungskonferenz, dass aufgrund der Gesamtentwicklung des Kindes im kommenden Schuljahr die Versetzung erreicht werden kann. Hat die Versetzungskonferenz diese Entscheidung nicht getroffen, sieht die Verordnung den Schulwechsel vor. Durch den Wechsel der Schulform dürfen die Schülerinnen und Schüler ihre Schullaufbahn in der Klasse 7 fortsetzen. In diesem Kontext ist zu erwähnen, dass die Entscheidung der Versetzungskonferenz hinsichtlich der Entwicklungsprognose eine anfechtbare Entscheidung darstellt. Mögliche Fehler können hier durch eine gerichtliche Überprüfung geklärt werden.

Zeichnet sich zu einem früheren Zeitpunkt während der Erprobungsstufe bereits ab, dass die Versetzung in die 7. Klasse gefährdet ist, sollten die Eltern die rechtliche Möglichkeit prüfen, vorzeitig die freiwillige Wiederholung zu beantragen. Dadurch kann frühzeitig einem zwingenden Schulformwechsel begegnet werden und der Schülerin/dem Schüler die Möglichkeit eröffnet werden, in einem zusätzlich nicht Schulbesuchsjahr die Eignung für die jeweilige Schulform unter Beweis zu stellen.