Der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster hat heute die Verfassungsbeschwerden zahlreicher Städte und Gemeinden gegen das 9. Schulrechtsänderungsgesetz, mit dem die inklusive Bildung in allgemeinen Schu­len als Regelfall eingeführt wurde, als unzulässig verworfen.

Die Beschwerdeführerinnen hatten geltend gemacht, das 9. Schulrechtsänderungs­gesetz verletze die Vorschriften der Landesverfassung über das Recht der gemeind­lichen Selbstverwaltung, insbesondere in seiner Ausprägung durch die Konnexitätsbestimmungen in Art. 78 Abs. 3 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen. Der Gesetzgeber habe die verfassungsrechtlichen Vorgaben für einen Belastungsausgleich nicht beachtet.

In der mündlichen Urteilsbegründung führte die Präsidentin des Verfassungsge­richtshofs Dr. Ricarda Brandts unter anderem aus:

Die Beschwerdeführerinnen seien durch das 9. Schulrechtsänderungsgesetz unter den von ihnen gerügten Gesichtspunkten nicht beschwert. Nach ihrem eigenen Vor­bringen komme eine Rechtsverletzung durch dieses Gesetz nicht in Betracht. Die beschwerdeführenden Gemeinden griffen die materiellen Regelungen des 9. Schulrechtsänderungsgesetzes zur schulischen Inklusion nicht an. Sie sähen eine Verletzung ihrer Rechte vielmehr darin, dass der Landesgesetzgeber die verfassungsrechtlichen Vorgaben über den erforderlichen Belastungsausgleich nicht be­achtet habe. Die Regelungen zum Ausgleich der die Kommunen aufgrund des 9. Schulrechtsänderungsgesetzes treffenden finanziellen Belastungen enthalte aber nicht das 9. Schulrechtsänderungsgesetz, sondern ein anderes Gesetz, das Gesetz zur Förderung kommunaler Aufwendungen für die schulische Inklusion (Inklusions­aufwendungsgesetz). Dieses hätten die Beschwerdeführerinnen nicht angegriffen.

Zwar sei nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen die Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen die Aufgaben­übertragungsnorm i.S.d. Art. 78 Abs. 3 LV NRW zu richten, wenn eine Belastungsausgleichsregelung völlig fehle. Ein solcher Fall sei hier aber nicht gegeben. Viel­mehr habe der Gesetzgeber mit dem Inklusionsaufwendungsgesetz Regelungen über einen Belastungsausgleich getroffen. In Fällen, in denen der Gesetzgeber gleichzeitig mit der Aufgabenübertragung den Belastungsausgleich regele, würden die Komunen bei einem gegebenenfalls unzureichenden finanziellen Ausgleich durch die Belastungsausleichsregelung, nicht aber durch die Aufgabenübertragungsnorm beschwert. Das Inklusionsaufwendungsgesetz sei eine gleichzeitige Belastungsaus­gleichsregelung, denn es sei zeitgleich mit dem 9. Schulrechtsänderungsgesetz in Kraft getreten.

Beschwerdeführerinnen waren die Städte Bad Lippspringe, Bornheim, Brakel, Breckerfeld, Brilon, Bünde, Coes­feld, Emsdetten, Erftstadt, Erwitte, Geldern, Geseke, Grevenbroich, Gronau, Harsewinkel, Hattingen, Schloß Holte-Stukenbrock, Höxter, Isselburg, Kevelaer, Kleve, Meschede, Moers, Oer-Erkenschwick, Olpe, Olsberg, Paderborn, Radevormwald, Rheda-Wiedenbrück, Rietberg, Rüthen, Schmallenberg, Schwerte, Steinfurt, Unna, Vlotho, Voerde, Wermelskirchen und Willebadessen sowie die Gemeinden Augustdorf, Bad Sassendorf, Blankenheim, Jüchen, Langen­berg, Lindlar, Morsbach, Nettersheim, Schalksmühle, Schermbeck, Simmerath, Steinhagen und Wadersloh.

Urteil des Verfassungsgerichtshofs Nordrhein-Westfalen, Az.: VerfGH 8/15

Quelle: Pressemitteilung des VerfGH NRW vom 10.01.2017